Die Themen

Ölspuren Fotoseite

> Die Kriege

- Irak

- Info Irak

- Irak Mix

- Irak-Krieg

- Somalia

- Somalia Mix

- Jugoslawien

- Afghanistan

- Afghanistan Mix

> BRD - Beteiligung

> Das Öl

> Protest und Widerstand

> Mix-Site

> Startseite

Öl

Der folgende Text setzt sich mit verschiedenen Aspekten des Kampfes um das Öl auseinander. Über die Geostrategische Bedeutung, die Kaspi/Kaukasus-Region, den Transport des Kaspi-Öls, dabei explizit die Routen Afghanistan-Pakistan, Baku-Ceyhan, die Pipelines durch Jugoslawien und Tschetschenien. Den Abschluß bildet eine kurze Betrachtung der Interessen von Rußland im Irak.

Das Öl - Der Stoff aus dem die Kriege sind.

Geostrategisch und Erdölförderung

Zunächst allmählich, dann desto rascher verschaffte sich ein neuer Wirtschaftsfaktor im Nahen und Mittleren Osten Geltung: das Erdöl. Westliche Gesellschaften begannen mit seiner Förderung 1908 in Iran. Am Anfang der Nationalstaaten im Nahen und mittleren Osten stand oft das Erdöl. So wurden die Staatsgrenzen zwischen dem Irak, Syrien und der Türkei nach dem Ersten Weltkrieg nach Abschluss des britisch-französischen Erdölabkommens im April 1920 in Sanremo festgelegt. Zwar hatten sich Grossbritannien und Frankreich mittels Geheimdiplomatie schon 1915 auf Einflusszonen in Form von Mandaten auf dem Gebiet des Osmanischen Reichs geeinigt und dabei den verbündeten Kurden Autonomie versprochen. Die neuen Machtverhältnisse zugunsten Londons führten jedoch zu einer Umverteilung, bei der Palästina unter britische Hoheit gelangte und Kurdistan zwischen Irak und der Türkei aufgeteilt wurde. Erst die Gewährung von Rechten, britisches Erdöl aus dem Mossul durch das französische Mandatsgebiet Syrien zu leiten, ermöglichte die Festlegung der Staatsgrenzen, die bis heute gelten.

 

Die Ölreichsten Länder

  • -         Saudi-Arabien 35,4 Mrd. Tonnen
  • -         Irak 15,1 Mrd. Tonnen
  • -         Kuwait 13,0 Mrd. Tonnen
  • -         Arabische Emirate 12,9 Mrd. Tonnen
  • -         Iran 12,3 Mrd. Tonnen
  • -         Zum Vergleich: USA 2,9 Mrd. Tonnen
  • Die größten Erdölförderer

    Fördermenge pro Jahr

  • -         Saudi-Arabien 0,440 Mrd. Tonnen
  • -         USA 0,352 Mrd. Tonnen
  • -         Russland 0,326 Mrd. Tonnen
  • -         Iran 0,178 Mrd. Tonnen
  • -         Mexiko 0,173 Mrd. Tonnen
  • Die stärksten Verbraucher

    Verbrauch pro Jahr

  • -         USA 0,875 Mrd. Tonnen
  • -         Japan 0,256 Mrd. Tonnen
  • -         China 0,231 Mrd. Tonnen
  • -         BRD 0,129 Mrd. Tonnen
  • -         Russland 0,127 Mrd. Tonnen
  • -         Zum Vergleich: die EU 0,637 Mrd. Tonnen
  • Zunächst war Erdöl ein Geschäft, und zwar ein für die westliche Welt außerordentlich gewinnträchtiges. Ihre Ölgesellschaften machten sich die Ergiebigkeit der Quellen im Nahen und Mittleren Osten, die geringe Tiefe der Öl führenden Gesteinsschichten und die niedrigen Kosten, die für die Bezahlung der Arbeitskräfte anfielen, zunutze. In den USA etwa mussten sie für die Gewinnung eines Barrels, das sind rund 159 Liter, 151 Cent aufwenden, in Irak nur 4Cent und in Kuwait 10 Cent. Über ein halbes Jahrhundert hielten sie den posted price oder Listenpreis (Preis pro Barrel) annähernd gleich niedrig. Das führte zu einem Raubbau an den Ölreserven in dieser Region selbst, darüber hinaus zu einer Ölverschwendung in den westlichen Industrieländern. Die Förderländer erhielten vom Listenpreis nur etwa ein Drittel. Das Erdöl gewann zunächst als Treibstoff, dann als Rohstoff für die Petrochemie bei der Industrialisierung und bei der Kriegführung im Industriezeitalter entscheidende Bedeutung. Jenen Machthabern im Nahen und Mittleren Osten, aus deren Boden Erdöl sprudelte, flossen große Geldbeträge, sog. Petrodollars, zu über die sie frei verfügen konnten. Das entband sie vom Zwang zu eigener Produktivitätsentwicklung und stabilisierte in solchen Staaten die Machtstrukturen, auf denen ihre Herrschaft beruhte. Erdöl, in seiner Einzigartigkeit als Rohstoff und in seinen Verheißungen am ehesten mit Gold zu vergleichen (»schwarzes Gold«), vermochte bereits aus sich heraus Begehrlichkeiten zu wecken.

    Die «Seven Sisters», (wie die sieben größten Erdölkonzerne genannt wurden), zu denen neben British Petroleum (BP) und Royal Dutch/ Shell die fünf US-Konzerne Texaco, Mobil Oil, Gulf Oil, Standard Oil of California (Socal) und Standard Oil of New Jersey (wurde später zu Exxon) gehörten, glaubtennoch 1959/60, den Ölpreis diktieren zu können, und senkten ihn um 10 Cents pro Barrel. Daraufhin gründeten Entwicklungsländer, in denen der Rohölexport die hauptsächliche Wirtschaftsgrundlage war, im September 1960 die Organization of Petroleum Exporting Countries (OPEC), um mit deren Hilfe ihre Erdölpolitik zu koordinieren, die Ölpreise auf den internationalen Märkten zu stabilisieren und eine staatliche Beteiligung an den ausländischen Ölgesellschaften durchzusetzen. Der OPEC gehörten zunächst Iran, Irak, Kuwait, Saudi-Arabien und Venezuela an. In der Folgezeit traten ihr weitere Länder - zum Beispiel Indonesien, Libyen, Algerien, Nigeria - bei. 1971 beschloss die OPEC, sich zuvor ihrer Möglichkeiten offensichtlich nicht bewusst, anlässlich einer Konferenz in Teheran eine dreißigprozentige Preiserhöhung für Erdöl. In den Siebzigerjahren erlangten arabische Staaten durch Kapitalbeteiligungen, Teilverstaatlichungen und Verstaatlichungen die Kontrolle über das in ihrem Boden lagernde Öl. Libyen übernahm im Dezember 1971 den 50 % Anteil der BP, der Irak nationalisierte 1972/73 den Erdölsektor vollständig und die Golfstaaten unterzeichneten mit den Ölgesellschaften Beteiligungsverträge.

    Im Zuge des Ölembargos der OPEC während des Jom-Kippur-Krieges (Ägypten und Syrien gegen Israel) 1973 gegen die Staaten, die Israel unterstützten, setzte eine neue Energiepolitik in den Industriestaaten ein. Das Ziel war, neue, von der OPEC unanhängige Ölreserven zu erschließen, und allgemein die Energieverschwendung zu reduzieren. So gewann das Nordseeöl an Bedeutung, in Alaska wurde Öl gefördert und selbst die verhasste Sowjetunion wurde zum Öl- und Gaslieferanten. Und im Golf von Guinea (Westafrika) wurde immer erfolgreicher Öl gefördert.

    Diese Entwicklung ist für die USA besonders bedeutsam, da das Land 2001 gut 54 Prozent seines Energiebedarfes durch Importe decken musste. Davon stammten nur knapp die Hälfte aus der  westlichen Hemisphäre. Gut 30 Prozent wurden aus der Golfregion importiert (davon 18 Prozent aus Saudi-Arabien, neun Prozent aus dem Irak und drei Prozent aus Kuwait). 16 Prozent des US-Bedarfs wurden durch Importe aus Afrika gedeckt. Die Abhängigkeit von Ölimporten wird sich weiter verschärfen. So erklärte der US-Energieminister Spencer Abraham am 20. Juni 2002 vor dem Komitee für Internationale Angelegenheiten des US-Repräsentantenhauses, dass im Jahr 2020 die Ölimporte 62 Prozent des Bedarfes decken müssen. Extremer noch ist die Nachfrage aus Europa. Experten gehen für das Jahr 2030 von einem Importbedarf in Höhe von 92 Prozent bei Erdöl und 81 Prozent bei Erdgas aus.

    Edward Royce, der Vorsitzende des Afrika-Ausschusses im US-Repräsentantenhaus hatte kürzlich erklärt, Öl aus Schwarzafrika solle Priorität erhalten, um die Macht der OPEC weiter auszuhöhlen. Gegenwärtig importieren die USA gute 15 % aus Schwarzafrika, allen voran Nigeria und Angola. Bis im Jahr 2015 soll es bereits die Hälfte des Bedarfs sein, geht es nach einer im Auftrag der US-Regierung verfassten Studie der African Oil Policy Initiative Group (AOPIG). Für Washington ist die Neuausrichtung auf Afrika, parallel zu den Bemühungen um die Ölschätze rund um das Kaspische Meer, folgerichtig: Die Region liegt näher an den USA, der Öltransport verbilligt sich. Ganz obenan steht Nigeria, das nach Angaben der Petroleum Finance Company seine Produktion bis 2007 von derzeit 2,2 Mill. Barrel auf mehr als 3 Mill. Barrel am Tag ausbauen will. Gegenwärtig rangiert Nigeria unter den international größten Förderländern auf Rang elf. Die Qualität seines Öls ist hoch. Der Ölkonzern Shell beziffert die Förderkosten auf 4 $ per Barrel. Zum Vergleich: In der Nordsee kalkulieren die Konzerne mit teils doppelt so hohen Kosten.           

    Für die Ölförderung vor der Küste von Angola, werden noch höhere Kosten kalkuliert. Dennoch plant auch Angola, seine Tagesproduktion in zehn Jahren von 650 000 Barrel auf 2 Mill. Barrel zu  verdreifachen. Und auch der Tschad wird rund 225 000 Barrel am Tag produzieren, sobald die 3,7 Mrd. $ teure Ölpipeline durch Kamerun in 2004 fertig gestellt ist. Neuer Hoffungsträger ist nun der Inselstaat Sao Tome im Golf von Guinea, wo Erdölreserven in einer Größenordnung von ca. 24 Mrd. Barrel gefunden wurde. Die USA haben sich nicht nur die besten Fördergebiete gesichert, sondern auch gleich einen Vertrag über eine Militärbasis mit der Regierung von Sao Tome abgeschlossen.

    Um die letzten großen Energiereserven (vor allem der ehemaligen Sowjetunion) ist nun ein neues "Großes Spiel" um die Territorien zwischen den Gebirgen des Kaukasus und des Pamir entbrannt. Mit dem Unterschied, dass nun die US-Amerikaner Gegenspieler der Russen sind. Außerdem mischen dieses Mal finanzkräftige Konzerne und Regionalmächte kräftig mit - China, der Iran, die Türkei, Pakistan sowie Shell und BP. Alle wollen die Kontrolle über die Energiereserven gewinnen, welche die Abhängigkeit vom Öl des mächtigen, arabisch dominierten OPEC-Kartells aus der instabilen Golfregion mindern können. Die Ölreserven des kaspischen Meers reichen nicht an die Vorkommen des Persischen Golfs heran, die etwa 600 Milliarden Barrel, zwei Drittel der Vorräte der Erde, umfassen. Aber mit einer Fördermenge von maximal sechs Millionen Barrel pro Tag könnte die kaspische Region einen Weltmarktanteil von lediglich fünf bis acht Prozent erreichen, was ungefähr dem der Förderung aus dem Nordseegrund entspräche. Damit wäre die OPEC noch nicht entmachtet, aber durch die Okkupation des Iraks würden die USA und die Ölmultis diesem Schritt ein wenig näher kommen. Denn um die Abhängigkeit vom arabischen Öl zu mildern, verfolgen die Regierungen der Vereinigten Staaten die Politik, ihre "Energieversorgung zu diversifizieren", also Rohstoffquellen außerhalb der OPEC zu erschließen und zu sichern. Die Kontrolle über das kaspische Erdöl ist eines der Schlüsselelemente dieser Strategie. "Ich kann mich an keine Zeit erinnern, in der eine Region so plötzlich strategisch so wichtig geworden ist wie jetzt die kaspische Region", erklärte Dick Cheney, der damalige Chef des Petrologistik-Konzerns Halliburton, im Jahre 1998 in einer Rede vor Öl-Industriellen in Washington. Heute ist Cheney Vize-Präsident der Vereinigten Staaten und gilt als der einflussreichste Mann hinter George W. Bush, der selbst aus der texanischen Ölindustrie kommt.

      

    Die Kaspi/Kaukasus-Region

    Die Schlacht um Afghanistan ist - über das US-Kriegsziel der Terrorbekämpfung hinaus - mit dem Projekt einer Pipeline von Turkmenistan nach Pakistan eng verquickt. Bei der tschetschenischen Lust zur Sezession von Russland, die sich 1994 entzündete, ging und geht es auch um die Transportroute für kaspisches Erdöl.“ (NNZ 10.10.02)

    Als der "real existierende Sozialismus“ in sich zerfiel und Friedensbewegte der NATO weismachen wollten, sie habe keine Aufgabe mehr, konzentrierte sich die Allianz bereits auf den alten sowjetischen Machtbereich. 1992 erklärte das NACC (North Atlantic Cooperation Council) in ihrer Schlußerklärung vom 18. Dezember 1992 die NATO-Zuständigkeit für Osteuropa, "Jugoslawien, aber auch für die Konflikte im Kaukasus". 

    Warum ist die Kaspi/Kaukasus-Region in Zentralasien so wichtig geworden?

    Es geht um die letzten großen Energiereserven der Welt. Heute tragen sie noch wenig zur Versorgung der westlichen Welt bei, besitzen aber schon deshalb strategische Bedeutung, weil der Weltenergiebedarf nach Schätzungen des Weltenergierates bis 2020 um 50 Prozent steigen wird. Allein die USA werden in zehn Jahren etwa 60 Prozent und Europa sogar 70 Prozent seiner Energie importieren müssen. Und auch der Energieverbrauch in China wird sich bis dahin verdoppelt haben, so wird auch China  40 Prozent seines Energiebedarfs importieren müssen.

    Schätzungen über das verfügbare Volumen reichen von 50 (etwa soviel wie in der Nordsee) bis 110 Milliarden Fass Erdöl und etwa sieben bis neun Billionen Kubikmeter Erdgas. Das US-Energieministerium kalkuliert sogar mit 200 Milliarden Barrel Erdöl - nur Saudi Arabien besitzt mit nachgewiesenen 262 Milliarden Barrel mehr. Erst im Sommer 2000 wurde vor der kasachischen Küste das Kashagan-Ölfeld entdeckt, das als eines der fünf größten der Welt gilt. So wird Kasachstan voraussichtlich in den nächsten Jahren zum fünftgrößten Erdölexporteur der Welt aufsteigen. Demgegenüber werden die Ölquellen der Nordsee in ungefähr zehn Jahren nicht mehr sprudeln. Spätestens dann muss das Öl aus den Feldern um das Kaspische Meer, das Kaspi-Öl, so reichlich in die Volkswirtschaften des Westens fließen, dass die Abhängigkeit vom OPEC-Öl eingegrenzt werden kann. Was um so wichtiger sein wird, als der weltweite Verbrauch, auch infolge der Industrialisierung Asiens, permanent steigt.

    Die Entdeckung des Kashagan-Feldes war der größte Ölfund seit drei Jahrzehnten. Geologen des italienischen Ölkonzerns Agip entdeckten das auf 30 Mrd. Barrel geschätzte Erdölfeld in 4.500 Meter Tiefe inmitten des nordkaspischen Naturschutzgebiet, in dem mehr als 200 bedrohte Tierarten, vor allem Vögel und der kaspische Seehund, leben. Seit dem sensationellen Fund in Alaskas Prudhoe Bay im Jahr 1970 wurde nicht mehr so viel Erdöl an einem Ort entdeckt. Die Felder der Nordsee bergen noch insgesamt 17 Milliarden Barrel. Kasachstan, noch vor einem Jahrzehnt eine rückständige Sowjetrepublik, wird sich in naher Zukunft einen Platz in den Top Five der Erdölexporteure entwickeln. Jeden Tag bis zu fünf Millionen Barrel könnte das Land schon im Jahr 2010 an den Rest der Welt verkaufen. Öl und Gas ist aber bei weitem nicht alles. Kasachstan zählt zu den wichtigsten Bergbauländern der Welt. Neben Kohle, Erdöl, Erdgas, sind dort die größten Zinkreserven der Welt, die zweitgrößten Blei-, Chrom- und Silberreserven; Goldvorkommen von "beachtlicher Größe" und Bauxit, Eisen, Kadmium, Kaolin, Kupfer, Mangan, Molybdän, Phosphorit, Uran und Wolfram. Entsprechend bunt ist das Treiben im Land. Bergbau- und Energieunternehmen aus den USA, Japan, Kanada, BRD, Großbritannien, Australien, Neuseeland und Israel buddeln neben russischen in der Erde.

    Die Erdgaslager in der Kaspi/Kaukasusregion sollen noch bedeutender sein als die Erdölreserven. So wird Turkmenistan oft das neue Kuwait am Kaspischen Meer genannt: Die seit zehn Jahren unabhängige ex-sowjetische Wüstenrepublik sitzt auf immensen Reichtümern. Die Gasvorkommen allein werden auf zwei Billionen Kubikmeter geschätzt, die viertgrößten bis drittgrößten (hinter Russland und Iran)der Welt. So wird z.Zt. an der fast 1 500 Kilometer langen und voraussichtlich zwei Milliarden Dollar teuren Gaspipeline vom turkmenischen Feld Dovletabad quer durch Afghanistan ins pakistanische Multan gebaut. Hinzu kommen noch weitgehend unerschlossene Ölfelder vor der turkmenischen Küste, von denen bis heute niemand weiß, wie groß sie sind. Das riesige Ölfeld Chirag, mit geschätzten fünf bis sieben Milliarden Barrel Inhalt, riss sich der BP-Konzern Mitte der neunziger Jahre unter den Nagel. Die Bodenschätze machen das Land zu einem der wertvollsten Beutestücke im neuen Großen Spiel, dem Kampf der Großmächte und Konzerne um die Öl- und Gasfelder am Kaspischen Meer. Anders als in den übrigen Schlüsselstaaten am Kaspischen Meer wie Kasachstan und Aserbaidschan, sind ausländische Investitionen in Turkmenistan, besonders im Öl- und Gassektor, nach wie vor sehr schwierig.

    In Aserbaidschan sind weit über zehn westliche Ölgesellschaften präsent. Und auch die militärische Zusammenarbeit vollzieht sich großen Schritten. So hat Aserbaidschan angeboten „eine NATO-Basis am Kaspischen Meer einzurichten“. Unter US-Führung entstand ein „zentralasiatischer Kampfverband, der zusammen mit amerikanischen Soldaten bereits Manöver“ abgehalten hat (BlnZ, 12. Juli 1999). Darüber hinaus haben die USA im Zuge der „Terrorbekämpfung“ im Rahmen der Operation „Enduring Freedom“ in den zentralasiatischen Staaten Kirgisien, Usbekistan und Tadschikistan Militärstützpunkte eingerichtet.

    Westliche Ölfirmen (ExxonMobil, BP, Agip, Shell u.a.) haben mit den zumeist ex-sowjetischen Potentaten der Region lukrative Verträge abgeschlossen und 30 Milliarden Dollar in neue Förderanlagen gesteckt. Bis zum Jahr 2015 sind weitere Investitionen in Höhe von 100 Milliarden Dollar vorgesehen. Aber nicht nur die bekannten Verdächtigen mischen kräftig mit, beim neuen „Great Game“, auch die chinesische staatliche Ölfirma CNPC erwarb 1997 das Recht auf zwei möglicherweise lukrative Ölfelder in Kasachstan und warf dabei amerikanische und europäische Ölkonzerne aus dem Rennen. Im Austausch für die Bohrrechte verpflichtete sich die CNPC, Pipelines nach Singkiang (China) zu bauen, um damit den Export von bis zu 50 Mill. Tonnen kasachischen Öls pro Jahr nach China zu ermöglichen. Außerdem sind Machbarkeitsstudien über den möglichen Bau einer 3000 km langen Gaspipeline von Turkmenistan nach Singkiang im Gange. Obwohl China der sechsgrößte Ölproduzent der Welt ist, hat sein Wirtschaftswachstum es seit 1993 in einen Nettoimporteur von Öl verwandelt. Im Jahr 2000 hat China bereits 65,5 Millionen Tonnen Öl importiert, hauptsächlich aus dem Nahen Osten, was gegenüber 1999 einen Anstieg von 97 Prozent bedeutet.

    Der Streit der Anrainerstaaten am Kaspischen Meer

    Der Streit geht um eine an sich sehr simple Frage: Ist das Kaspische Meer ein Meer, oder ist es ein See? Dieses Thema würde normalerweise höchstens Rechtsgelehrte beschäftigen - ginge es hierbei nicht um Milliarden Tonnen Öl. Wie sie aufgeteilt werden, das hängt von der Definition des mit 386.400 Quadratkilometern Fläche größten Binnengewässers der Welt ab. Dabei verhält es sich genau andersherum als gemeinhin angenommen: Betrachtet man das Kaspische Meer als Meer, dann würden die Anrainer lediglich einige Seemeilen vor ihrer Küste kontrollieren. Die große Mitte des Meeres hingegen wäre internationales Gewässer, dessen Schifffahrtswege, Fischschwärme und Bodenschätze von allen Beteiligten gemeinsam genutzt werden könnten. Sie müssten sich darauf einigen, wie die Ölquellen ausgebeutet und die Profite geteilt werden. Ist das Kaspische Meer hingegen ein See, wird der gesamte Grund unter den Anrainern aufgeteilt, wie ein Kuchen. Die meisten Rechtsexperten legen die internationale Konvention des Seerechts so aus, dass das Kaspische Meer das ist, was der Name sagt: ein Meer. Aber kann ein Meer im Sinne des Seerechts wirklich ein reines Binnengewässer sein? Der Streit ist noch nicht entschieden, aber die Nerven liegen bei manche Beteiligten schon blank.

     

    Pipeline Kaspiöl

    Es ist eine Sache, Erdöl zu fördern. Es ist eine ganz andere Sache, es zu den Verbrauchern nach Europa, Amerika, oder Asien zu bringen. Die Frage, durch welche Staaten die jeweiligen Pipelines verlaufen, gewinnt daher enorme politische und geostrategische Bedeutung." (SZ, 18. Dezember 1997)

    Das Kaspische Meer hat keinen Zugang zu den Weltmeeren und bisher standen nur die russische Pipeline durch Tschetschenien zum Schwarzmeer-Hafen Noworossisk und die iranische zum persischen Golf zur Verfügung. Die USA wollen beide austrocknen, die iranische wegen des Islams und der regionalen Großmacht-Ambitionen und die russische wegen der alten Feindschaft und der inneren Instabilität.

    Die turkmenische Regierung Mitte der Neunziger den kühnen Plan, eine Pipeline unter dem Kaspischen Meer durch nach Aserbaidschan zu legen, wo sie an eine Leitung in die Türkei angeschlossen würde. Das Projekt wurde enthusiastisch von der amerikanischen Regierung unterstützt, scheiterte aber im Endeffekt am Widerstand von Aserbaidschan. Eine russische Pipeline, Blue Stream genannt, wird ironischerweise unter dem Schwarzen Meer hindurch in die Türkei führen. Des einen Leid ist des anderen Freud: der vorläufige Gewinner im Kampf um das turkmenische Gas ist der russische Rohstoffkonzern Itera, der eng mit dem Monopolisten Gazprom zusammenarbeitet. Iteras Boss Igor Makarow, einer der mächtigen Oligarchen in Moskau, kann sich auf eine langjährige Freundschaft mit  Staatspräsident Nijazow stützen. Vor wenigen Monaten haben die beiden Männer vereinbart, dass Turkmenistan im kommenden Jahr 40 Milliarden Kubikmeter Gas nach Norden an Itera liefert.

    Der amerikanische Ölriese Chevron, der bereits seit 1993 in einem Joint Venture mit dem staatlichen kasachischem Konzern Kazmunaigaz Öl aus dem riesigen Tengiz-Feld an der kaspischen Ostküste fördert, hat trotz unfreundlicher Kommentare aus Washington bereits eine Pipeline für mehr als zwei Milliarden Dollar durch den kriegsgeschüttelten Nordkaukasus zum russischen Schwarzmeerhafen Novorissijsk bauen lassen. Bis zu eine Million Barrel pro Tag kann die Leitung fassen. Im Oktober 2001 floss das erste Öl.

    "Für den Anfang könnte unsere Pipeline die Kashagan-Produktion aufnehmen, aber eine zweite Leitung ist notwendig", sagt Boris Scherdabajew, mächtiger Präsident vom Tengizchevroil genannten US-kasachischen Gemeinschaftsunternehmen. "Noch eine Pipeline durch Russland wird die kasachische Regierung aber nicht zulassen, dann wäre sie zu abhängig von Moskau." Schon ist von einer zweiten Röhre entlang der Baku-Ceyhan-Pipeline durch den Süd-Kaukasus die Rede. Dafür müsste das Kashagan-Öl allerdings zunächst umständlich mit Tankern quer über das kaspische Meer geschifft werden. Alle ökonomischen Fakten sprechen daher für eine Süd-Route zum Persischen Golf. Durch zwei Länder könnte sie verlaufen: durch den Iran oder Afghanistan. Bush, der die amerikanischen Wirtschaftssanktionen gegen das Land aufrecht erhält. Sie verbieten es US-Konzernen, Öl durch Persien zu transportieren. Doch das letzte Wort darüber, welchen Weg das Kashagan-Öl nehmen wird, haben die Kasachen. "Wir glauben, dass die Route durch den Iran am ökonomisch sinnvollsten wäre", sagt Sabr Yessimbekow, Pipeline-Chefplaner von Präsident Nazarbajew.

     

    Kaspiöl - Pipeline Afghanistan - Pakistan

    "Die Bedeutung Afghanistans in Energiefragen liegt in seiner geografischen Position als potenzielle Transitroute für Exporte von Öl und Erdgas aus Zentralasien zum Arabischen Meer." (US-Energieministerium Anfang September 2001)

    Bereits Mitte der neunziger Jahre plante darum der amerikanische Ölkonzern Unocal, zwei Pipelines von den turkmenischen Öl- und Gasfeldern durch Afghanistan zu bauen. Jährlich wollte die US-Firma, der auch Hamid Karzai als Berater diente, damit 20 Milliarden Kubikmeter Erdgas und 350 Millionen Barrel Rohöl nach Pakistan liefern, das dringend Energieressourcen braucht. Tatsächlich unterzeichneten Turkmenen-Präsident Nijasow und Unocal-Manager in New York schon am 21. Oktober 1995 ein entsprechendes Abkommen.

    Mehrmals flogen daraufhin Unocal-Vertreter in einem von der Uno bereitgestellten Flugzeug nach Kabul und warben für das Pipeline-Vorhaben. Sie versprachen dem Koranschüler-Regime 300 bis 500 Millionen Dollar an Zöllen und Transitgebühren. In Kandahar errichtete der Konzern eine Schule, in der Hunderte Afghanen für den Bau und den Betrieb der Pipeline ausgebildet wurden. Zugleich trafen sich die Ölmanager mit den Führern der gegnerischen Bürgerkriegspartei, der Nordallianz, und versuchten - vergeblich - sie zu Friedensverhandlungen zu bewegen. Im Oktober 1997 hatte Turkmenistan mit sechs Ölkonzernen das Central Asia Gas Pipeline Consortium (Cent-Gas) ins Leben gerufen. Das Projekt sollte einen Umfang von 2,5 Milliarden US-Dollar haben und neben Erdgas auch rund 1 Millionen Barrel Erdöl nach Pakistan transportieren. Der amerikanische Ölkonzern Unocal war mit 46,5 Prozent an dem Projekt beteiligt. Im Februar und November 1997 reisten sogar Taliban-Delegationen auf Einladung des Ölkonzerns nach Washington und Houston und führten Gespräche mit Regierungsvertretern und den Unocal-Managern. Erst nachdem die USA im Jahre 1998 erstmals Trainingscamps der al-Qaida in Afghanistan bombardierten und die Kämpfe zwischen den Taliban und der Nordallianz kein Ende nahmen, war das Unternehmen gezwungen, das Projekt auf Eis zu legen.

    Mit dem Ende der Taliban hat sich nun der afghanische Pipeline-Korridor wieder geöffnet. Afghanistan, Pakistan und Turkmenistan planen, das 1998 von dem CentGas Konsortium unter Unocal aufgegebene Öl- und Gas-Pipeline-Projekt wieder aufzunehmen. 2004 könnte mit den Arbeiten begonnen werden. Turkmenistan hat die viertgrößten Erdgasvorkommen der Welt. Mit der Pipeline würde sich die Abhängigkeit von Turkmenistan von Russland mindern. Bis zu 30 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus den bislang noch weitgehend unerschlossenen Vorkommen Turkmenistans könnte sie im Jahr ins pakistanische Karatschi transportieren. Später soll parallel dazu eine zweite Röhre für Erdöl folgen. Die etwa 1500 Kilometer lange Trasse soll durch den Korridor von Herat nach Kandahar verlaufen, eben jene Region, die bis zum erfolgreichen US-Feldzug in Afghanistan unter der Kontrolle der Taliban stand. Nach Informationen des afghanische Minister für Wiederaufbau, Mohammed Amin Farhang, sind die wichtigsten Interessenten, der US-Konzern ExxonMobil und das französische Unternehmen TotalFinaElf. Den Pipeline-Bau, dessen Kosten auf 2,5 Milliarden Dollar geschätzt werden, soll die Asian Development Bank finanzieren helfen. Die marktgünstige Erschließung der sagenhaften Öl- und Gasvorkommen am Kaspischen Meer, keine 1000 Kilometer nordwestlich von Afghanistan, erscheinen plötzlich als der große Preis für den Kampf um Kabul. Ihr großer Vorteil liegt darin, dass sie östlich der stark befahrenen Hormus-Meerenge, dem Nadelöhr des Persischen Golfs, enden würde.     

    Auch für die Ausbeutung des Kaschagan-Felds, die mit geschätzten 30 Milliarden Barrel zweitgrößte bekannte Ölblase der Erde, wäre eine Südost-Exportroute zum Persischen Golf sinnvoll. Das Kaschagan-Konsortiums in Kasachstan, an dem ExxonMobil und TotalFinaElf maßgeblich beteiligt sind, prüft z.Zt. die Machbarkeit.

      

    Kaspiöl - Pipeline Baku-Ceyhan

    Am 8.-9. Dezember 1999 fand eine Konferenz der CSIS (Zentrum für strategische und internationale Studien) und der Zeitschrift Financial Times Energy in Washington statt. Ein Projekt der CSIS umfaßt die "Studiengruppe für das Öl des Kaspischen Meers" mit dem Schwerpunkt auf - so die eigene Formulierung - "Entwicklung von Ölproduktion und -export in den Staaten am Kaspischen Meer durch ausländische Investoren, unter Berücksichtigung des gegenwärtigen politischen und wirtschaftlichen Umfeldes".

    Diese Gruppe propagierte seit April 1994 das Projekt einer Erdöl- und Erdgaspipeline von Baku (Aserbeidschan) nach Ceyhan (Türkei). Im November 99 wurde ein internationales Abkommen über dieses Pipelineprojekt auf dem OSZE-Gipfel in Istanbul im Rahmen einer besonderen Zeremonie in Anwesenheit Präsident Clintons unterzeichnet. Der Leiter der Gruppe ist Robert Ebel, ein früherer Mitarbeiter der CIA, des Innenministeriums und der US-Energiebehörde FEA. Schon seit den 60er Jahren vertritt er im Ausland "amerikanische Ölinteressen" und hat z.B. in Westsibirien Ölfelder untersucht. 1994 berief ihn die Energiebehörde in ein Expertenteam, das die langfristige Energiestrategie Rußlands erforschte, und 1997 leitete er eine Gruppe zur Untersuchung der Öl- und Erdgasbranche Turkmenistans und Usbekistans.

    Der Grundgedanken stammt von Zbigniew Brzezinski, der heute Berater des CSIS ist. In den 70er Jahren war Brzezinski Sicherheitsberater von Präsident Jimmy Carter. Später beriet er u.a. den Ölkonzern Amoco für die Region des Kaspischen Meeres, bis der Konzern kürzlich von British Petroleum (BP) übernommen wurde. Es war wesentlich Brzezinski, der die aserische Regierung und den aserischen Ölkonzern AIOC von dem höchst kostspieligen Pipelineprojekt Baku-Ceyhan überzeugte.

    Am 18. September 2002 wurde mit dem Bau der Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline (BTC) begonnen. Neun Ölkonzerne teilen sich die Ausbeute folgendermaßen auf: Die britische BP erhält 38,21 Prozent, SOCAR (Aserbaidschan) 25 Prozent, Statoil (Norwegen) 9,58 Prozent, Unocal (USA) 8,9 Prozent, TPAO (Türkei) 7,55 Prozent, Eni Agip (Italien) und Total Final Elf (Frankreich) bekommen jeweils fünf Prozent, Inpex (Japan) 3,4 Prozent und Delta Hess (US/Saudi-Arabien) 2,36 Prozent. Durch Georgien wird sie die aserbaidschanischen Ölquellen im Kaspischen Meer mit dem Hafen Ceyhan an der türkischen Mittelmeerküste verbinden. Die Pipeline wird durch die kurdischen Gebiete der Türkei verlaufen, wo zumindest in zwei Provinzen noch immer der militärische Ausnahmezustand herrscht. Sie ist die erste größere Pipeline, die ein ölreiches zentralasiatisches Land vom russischen Verteilungsnetz unabhängig macht. „Mit der Entscheidung für diese Route steht es im Poker um das aserbaidschanische Erdöl zwei zu null für den Westen. Der Westen, das sind hauptsächlich die USA und GB. Ihre Konzerne halten über 60% der Aserbaidjan International Oil Company (AIOC).“ (BlnZ 07.10.02)  Die Pipeline ist mit mehr als 1 700 Kilometern die längste und teuerste mögliche Röhrenverbindung nach Westen, die USA hatten ihren Bau immer gefördert, weil sie iranisches und russisches Staatsgebiet umgeht. Russland hingegen hatte den Firmen seines Landes Investitionen in die BTC verboten. Experten zweifeln deshalb, ob das 2,9 Milliarden Dollar teure Projekt mit einer Transportkapazität von einer Million Barrel pro Tag wirtschaftlich rentabel sein wird, auch wenn 70 Prozent der Baukosten internationale Finanzinstitutionen übernehmen, vor allem die Weltbank. Denn Aserbaidschan hat derzeit nur eine Exportkapazität von 800 000 Barrel pro Tag, und ein Teil davon muss vertragsgemäß durch Russland und Georgien zum Schwarzen Meer gepumpt werden.

    Aber auch die Ceyhan-Route ist brisant, weil sie durch "Krisenregionen wie Abchasien, Berg-Karabach und türkische Kurdengebiete" (Handelsblatt, 7. Juli 1998) laufe, die ruhig zu stellen sind. Georgien und Aserbaidschan haben eigene Militär-Bataillone für "ihre" Pipeline, sie verlangen aber zusätzlich den Schutz der Nato vor den angeblich von Rußland finanzierten Störkommandos.

     

    Kaspiöl - Pipeline Jugoslawien

    "Dass die Nato aus reiner Menschenliebe" Milliarden "für ein Unternehmen verfeuert, muss man nicht glauben", schrieb die FAZ (2. Juni 1999). "Wer im Namen der 'internationalen Stabilität' die Hegemonie in der Welt beansprucht", müsse "irgendwann damit beginnen, sie zu demonstrieren - mit oder ohne Rücksicht auf das Völkerrecht."

    Ende 1998, am Vorabend des Jugoslawienkrieges, nahm die Planung eines euro-asiatischen Transportkorridors konkrete Gestalt an. So wurde das jetzt begonnene BTC (Baku-Ceyhan) Pipeline Projekt in diesem Zusammenhang benannt. Dieses Projekt ist "in der Strategie der amerikanischen Geopolitiker "nur" der erste Teil eines euro-asiatischen Transportkorridors unter Umgehung Russlands und Irans" (NZZ, 14. Dezember 1998).

    Erst mit dem nächsten Projekt, der von der PSG-International (Eine gemeinsame Tochtergesellschaft der US-Konzerne: "General Electric Construction and Finance Group", "Bechtel Enterprises") geplanten Gas-Pipeline von Turkmenistan durch das Kaspische Meer in die Türkei und über Bulgarien / Jugoslawien gen Westen, wäre Rußlands "Kontrolle der Exportwege" endgültig "beendet". Mit dieser Linie wäre man laut PSG-Chef Edward Smith auch dem großen Ziel näher gekommen: "Europa mit Erdgas versorgen". Die Türkei war sehr dafür. Sie wäre Drehscheibe zum Westen und könnte sich an Stelle des Iran zur Regionalmacht aufschwingen. Mit diesem Gewicht und die USA im Rücken würde sie "ihren Einfluss in den turksprachigen Ländern der Region festigen".

    Eine neue Pipeline, von Baku zum georgischen Schwarzmeer-Hafen Supsa, wurde im März 1999 in Betrieb genommen. Von dort wird z. Zt. das Öl per Tanker durch den Bosporus in die weite Welt transportiert. Studien schlugen vor, das Öl in bulgarischen Raffinerien zu verarbeitet und auf der Donau durch Jugoslawien nach West-Europa gelangen. Noch besser wäre eine Pipeline. Der italienische Ölgigant ENI, unter anderem mit Libyen über eine Mittelmeerleitung gut im Geschäft, vereinbarte im Februar 1998 mit der bulgarische Regierung, eine Machbarkeitsstudie für eine Pipeline vom rumänischen Schwarzmeerhafen Constanza durchs nördliche Jugoslawien über Omisalj in Kroatien bis nach Triest in Italien. Dort sollte die Pipeline Anschluss an das westeuropäische Pipelinenetz erhalten. Diese Pipeline sollte auch von den USA mit 650 000 Dollar gefördert werden. Bei diesem, SEEL genannten, Projekt handelt es sich um einen der Korridore des paneuropäischen Netzes. "Mehrere US-Firmen" haben sich "um den Bau der Pipeline beworben (...). Pferdefuß der lukrativen Trasse" sei "der Teilabschnitt durch Serbien". "Der Transit" könne nur "durch eine internationale Garantie" (Handelsblatt, 13. Oktober 1998) gewährleistet werden. Das klingt eindeutig. Trotzdem wird es Zufall sein, dass der Bundestag etwa in dieser Zeit den Krieg gegen Jugoslawien beschloss.

    Die geostrategische Lage und der hegemoniale Wettstreit haben Jugoslawiens Schicksal besiegelt. Die "geoökonomische Verknüpfung der westlichen Schwarzmeerküste (...) für den Transport russischer, kaukasischer oder auch zentralasiatischer Energieträger" und die "Versorgung Südost- und Mitteleuropas auf dem Land bzw. Flusswege" (FAZ, 27. Mai 1999) verlangte "politische Stabilität" auf dem Balkan. Mit der Absetzung Milosevics ist auch von Jugoslawien nun alle Unterstützung für dieses westeuropäische Konzerngeschäft zu erwarten. Auf der internationalen Konferenz »Adriatic pipeline – new perspectives for transport of Caspian oil to the European markets«, die im Juni 2000 stattfand, sei genau diese Route als profitträchtigste ausgewählt worden. Die politischen Gründe gegen diese Pipeline seien mit dem NATO-Sieg entfallen, und Kroatien bestünde deswegen auch nicht mehr auf einer kostspieligen Umgehung Jugoslawiens via Ungarn.

    Dick Cheney, der heutige US-Vizepräsident, war vor seinem Amtsantritt Generaldirektor der Firma Halliburton Energy und ist immer noch ihr Teilhaber. Die britische Tochter von Halliburton heißt Brown & Root Ltd. Sie hat die Machbarkeitsstudie erstellt für eine Ölpipeline namens AMBO, mit deren Bau im Herbst 2001, also genau zu dem Zeitpunkt begonnen wurde, als die albanische UCK auch in Mazedonien die Waffen ruhen ließ. Investitionssumme, lt. FAZ (27.08.01) 1,13 Milliarden US-Dollar. AMBO steht in direkter Konkurrenz zum SEEL Projekt der italienischen ENI. Die Trasse führt vom Schwarzmeerhafen Burgas durch Bulgarien und Mazedonien, unweit der Grenze zum Kosovo bis Vlorë an der albanischen Adria. Mit ihrer Kapazität (750.000 Barrel pro Tag) wird die Pipeline den laufenden Durst von 20 Millionen europäischen Autos stillen können. Über sie wacht die US-Festung Camp Bondsteel in der amerikanischen Besatzungszone des Kosovo – die größte Militärbasis außerhalb der USA seit dem Vietnamkrieg. Ausstattungs- und Versorgungsfirma von Camp Bondsteel: Dick Cheneys Halliburton. Bei AMBO geht es um mehr als eine Balkan-Pipeline für das Konsortium aus den Gruppen BP-Amoco-ARCO, Chevron und Texaco: Es geht um den transeuropäischen Korridor Nummer 8. Mit AMBO sollte außerdem ENI und Total-FINA-Elf, der italienisch-französisch-belgische Konkurrent, ausgeschaltet werden. Laut U.S. Trade and Development Agency vom Mai 2000 soll das Öl für AMBO aus Südrussland und Zentralasien kommen, von russischen und georgischen Häfen. Es muss also über den kaukasischen Isthmus zwischen dem Schwarzen und dem noch weiter östlichen Kaspischen Meer.

      

    Kaspiöl – Pipeline Tschetschenien

    Über die Bedeutung des Tschetschenien-Krieges beim „Großen Spiel“, um die Vorherrschaft in der Kaspi/Kaukasusregion führte Brzezinski schon im Dezember 99 nach der CSIS-Konferenz aus: "Im weiteren Sinne kann der Konflikt [in Tschetschenien] den südlichen Kaukasus destabilisieren. Der Nordkaukasus ist bereits im Chaos, aber die Flüchtlingsströme und die damit verbundene Instabilität kann sehr wahrscheinlich nach Georgien ausstrahlen. Ein militärischer Erfolg in Tschetschenien wird vermutlich die Moskauer Hardliner in Versuchung führen, Georgiens Präsidenten Eduard Schewardnadse entweder zu unterwerfen oder auszuschalten und damit sein Land zu unterjochen... Das wären schlechte Nachrichten für die USA. Ein unterworfenes Georgien würde den Russen Zugang zu Armenien verschaffen, das bereits von Moskau abhängig ist, und damit Aserbeidschan (und Zentralasien) vom Westen trennen, während Moskau die Pipeline Baku-Supsa unter Kontrolle bekäme."

    Drei Monate nach dem Jahrhundertvertrag der westlichen Ölkonzerne über die Ausbeutung der Kaspi-Ölfelder, griffen die Russen zum ersten Mal die tschetschenische Hauptstadt Grosny an, um die Separatismustendenzen endgültig zu beenden. Dumm gelaufen, denn die Nordtransportroute von Baku über Grosny bis zum russischen Schwarzmeerhafen Noworossijsk war danach praktisch unbrauchbar. Die nordkaukasische Leitung von Baku ans russische Schwarze Meer ist seit 1994 unterbrochen. Die Tschetschenen wollten mehr Wegezoll, als die Russen zahlen mochten.

    Nun gibt es eine Umgehung sowohl Tschetscheniens als auch Russlands: eine – allerdings dünne – Ölleitung von Baku in Aserbaidschan nach Supsa an der georgischen Küste. Viel wichtiger: Im Bau ist eine gigantische Trasse von den riesigen Tengiz-Feldern in Kasachstan zum russischen Schwarzmeerhafen Noworossisk. Das Förderkonsortium ist zwar amerikanisch dominiert, die Leitungsgebühr aber kassieren russische Konzerne. Auch in der Erdgasbeförderung haben russische Konzerne – hauptsächlich Gasprom – immer noch die Nase vorn:  z.B. bei der Leitung über Belarus (Weißrußland) nach Polen und Deutschland oder bei der Pipeline von Noworossisk über den 2000 Meter tiefen Boden des Schwarzen Meeres nach Samsun in der Türkei. Hier ist der Konsortialführer die italienische ENI. Dabei ist auch die deutsche Ruhrgas AG.

     

    Irak

    Russlands Interessen in Irak sind die Interessen seiner Ölindustrie. Die Konsortien Lukoil und Slavneft hoffen für die Zeit nach der Aufhebung des UN-Embargos gegen Irak auf Einnahmen aus der Erschließung der im ersten Golfkrieg zerstörten Ölfelder in Kurna und Tuba. Der Irak hat mit geschätzten 112,5 Mrd. Barrel die zweitgrößten Ölreserven der Welt. Allerdings ist die Produktion auf Grund des Embargos derzeit niedrig. Und auch zu besten Zeiten lag die Produktion bei gerade 3 bis 3,5 Millionen Barrel, rund ein Drittel der saudischen Fördermenge. Der Alleingang der USA verunsichert die russische Ölindustrie, denn die Verträge, die den irakische Machthaber zwar völkerrechtlich verbindlich, müssten aber mit einer von den Amerikanern eingesetzten Regierung in Bagdad vermutlich neu verhandelt werden. Darüber hinaus versucht Russland an alte Sowjetleistungen anzuknüpfen und eine strategische Ölreserve für den Weltmarkt aufzubauen. Die Fördermenge soll von geschätzten 7,1 bis 7,4 Millionen Barrel auf 12 Millionen erhöht werden. Damit würde das Land so viel fördern wie Saudi-Arabien und Iran zusammen. Deswegen lehnt Russland den Krieg gegen Irak ab. Als erdölexportierendes Land fürchtet es nicht einen steigenden, sondern einen fallenden Ölpreis. Das könnte eintreten, wenn der Irak wieder groß ins Ölgeschäft zurückkehren sollte.

    Die USA werden während einer militärischen Besetzung Iraks die dortigen Ölfelder „treuhänderisch“ für das irakische Volk verwalten. Powell sagte dazu in Washington, die Regierung Bush prüfe verschiedene Modelle für das Management der irakischen Ölindustrie: "Wenn wir die Besatzungsmacht sind, wird es (das Öl) zum Nutzen des irakischen Volkes vorgehalten und sie (die Ölindustrie) wird zum Nutzen der irakischen Bevölkerung betrieben", sagte Powell.

    j. berger 05.04.2003